Der vermeidliche Makel der Hoffnung
Im Rollenspiel „Das schwarze Auge“ einen Kleriker oder Prieser zu spielen ist zuweilen ein tolles Erlebnis. Die Geistlichen der Götter wissen, dass ihre Götter existieren (es gibt 12 Stück und eine davon heißt Hesinde). Sie können diese Götter um Wunder bitten und werden (nicht immer) erhört. Was für eine komfortable Lage. Was jedoch nicht dazu führt, dass es keinen theologischen Streit gibt.
In der sogenannten echten Welt, sieht das ein wenig anders aus. Ich glaube an Gott*, den/die ich vor allem durch ein Buch kenne. In diesem Buch (der Bibel) stehen Geschichten von einem Menschen (Jesus) der am Ende seines Lebens den Tod überwunden hat. Vor circa 2000 Jahren war das.
Viel Wissen über Gott* habe ich mir in den fast 50 Jahren, die ich auf dieser Welt nun schon spiele, nicht angeeignet. Denn am Ende gibt es aus meiner Sicht sehr wenig, was ich wissen kann. Ich behaupte, dass wann immer ich mir einbilde, etwas über Gott* zu wissen, irre ich. Gott* lässt sich nicht durch kognitive Fähigkeiten erfassen und in Wissen beschreiben. Es geht am Ende nicht um Wissen, sondern um Glauben. Ich glaube das Gott* existiert.
Und beim Blick auf das Ende meines Spiels auf Erden, auf meinen Tod, kann ich auch nicht vollständig ruhig bleibe. Ich weiß nicht, was danach kommt. Ich gehe auf diesen letzten Spielzug nicht mit Gewissheit zu, dass alles gut wird. Ich gehe auf diesen letzten Zug in der Hoffnung zu, dass Gott*es Liebe mich auch dann trägt und geleitet. Und diese Hoffnung hat einen Makel und eine große Kraft..
Wenn ich auf etwas hoffe, dann ist es in der deutschen Sprache so angelegt, dass ich mir dessen nicht sicher sein kann. Das erhoffte Ereignis ist nicht sicher. Es kann sein, dass die Hoffnung vergebens war, dass wider aller Hoffnung das Ereignis nicht eintritt. Hoffnung ist keine Sicherheit.
Und so lebe ich in einer Welt, die mich an vielen Stellen überfordert. Das, was ich für Weltgeschehen erachte, fliegt in den Nachrichten an mir vorbei. Und ich weiß, dass nahezu 100% dessen, was auf der Welt geschieht, niemals zu mir durchdringen wird. Ungezählte menschliche Leben nehme ich nicht war, genauso, wie am Ende auch mein Leben im Rausch der Zeit verschwinden wird.
Und ich lebe mit einer brüchigen Hoffnung auf Gott*, der/die vor 2000 Jahren sich „einmalig“ gezeigt hat.
Manchmal wäre ich gerne ein Hesindepriester und nicht ein christlicher Diakon. Wie schön wäre es, genau zu wissen, was Gott* für mein Leben vorsieht, welche Entscheidungen ich genau zutreffen habe. eine Gewissheit zu haben und im Wissen, um die Existenz der Gottheit zu leben. Doch dann wird mir klar, dass Hesinde eben auch Menschen ablehnt, dass es elf weitere Götter gibt, die eben nicht die meinen wären. Das Wissen über Hesinde zeigt auch deutlich ihre Begrenzungen auf. (Als Magisches Wesen wäre z.B. Praios eher nicht mein Gott.)
Mit dem Wissen kommen die Grenzen. Wissen kann genutzt werden, ist verfügbar. Mit Wissen kann ich mehr Wissen schaffen neu Erkenntnisse gewinnen und auch zum Beispiel die Grenzen der Schwerkraft überwinden. Und im Wissen um Gott* läge eben auch das Wissen um Gott*es Endlichkeit begründet. Denn da, wo es Wissen gibt, gibt es auch Bereiche, die wir nicht erklären können, die uns fremd bleiben.
Hoffnung kann durch Wissen zerstört werden. Wenn ein Mensch glaubt, dass ein Medikament ihm hilft, dann entfaltet dieses Medikament oft eine gute (reale) Wirkung. (Placeboeffekt) Dieser Effekt wird erst dann zerstört, wenn der Mensch weiß, dass es sich um eine nichtwirkende Arznei handelt. Das Wissen zerstört dann den Glauben und auch dessen positive Wirkung. „Not knowing is a bliss“ zu deutsch „Nichtwissen ist ein Segen“ hat einen tiefen … Wahrheitsgehalt.
Ich glaube und hoffe ich auf Gott*. Gott* bewertet mein Leben nicht. Gott* liebt mich. Ich kann nur auf diese Liebe hoffen, weil Liebe eben keine Gewissheit und kein Wissen ist. Weder die göttliche, noch die menschliche (Versucht es, erklärt mal die Liebe zu Eurer Freund*in oder Partner*in). In dieser Liebe kommt Gott* allen Menschen entgegen, nicht in einem einzelnen Menschen vor 2000 Jahren. Wissen oder Hoffen, Sicherheit oder Liebe, mein Weg im Glauben wird noch sehr lang sein, und erst am Spielende zu einem Ende kommen.
In DSA ist der „Glaube“ nicht viel anders als in der realen Welt. Finde ich. In beiden vertrauen wir bzw. halten uns an Spieregeln. Und in beiden wird es nicht immer so, wie wir erhofft haben, ohne dass wir unseren „Glauben“ verlieren.
Im Rahmen der Jugendarbeit habe ich gerne DSA gespielt. Wir versanken in einer anderen Welt, die wir vor und nach dem Spielen reflektieren konnten. DSA eignet sich wunderbar für das Durchspielen existentieller Einbrüche in ein ansonsten geregeltes Leben
Danke 🤩 Dieser Beitrag erinnert mich an manches.