Bogenschießen

Es ist Dienstagabend. Das heißt für mich: Bogenschießen.

An drei Tagen in der Woche sind im Verein die Trainingszeiten angesetzt. Manche von uns kommen tatsächlich an allen drei Tagen, manche nur einige wenige Male im Monat. Auch heute sind wieder rund zehn Bogenschütz*innen auf dem Platz.

Von Ostern bis Erntedank trainieren wir auf unserer Bogenschießanlage im Freien. Egal, ob es im April hagelt und schneit, im Sommer drückende Schwüle herrscht oder die vielen Mücken uns plagen. Und ja, Selbst bei Sommerfestivals auf dem angrenzenden Vereinsgelände trainieren wir. Oder, wenn es wie jetzt im September früh dunkel wird und wir die Pfeile in der Dämmerung suchen müssen.

Unsere Gruppe ist bunt zusammen gewürfelt. Die jüngsten Schützinnen studieren noch, die ältesten Schützen zählen bald schon 80 Jahre. Verschiedene Klassen sind vertreten. Einige schießen Compound, andere Olympisch Recurve, manche Blankbogen. Im Sommer sieht man schon mal selbst gebaute Bögen. Auch die Ansprüche sind sehr unterschiedlich. Von Hobbyschütz*innen bis zur Deutschen Vizemeisterin ist alles dabei. Es ist schön, dass das so unkompliziert zusammen geht. Denn am Ende haben wir alle ein Ziel: Uns selbst immer weiter zu verbessern, um möglichst – wie im Wettkampf – bis zu hundert Mal ins Gold zu treffen.

Ich bin jetzt schon vier Jahre dabei und noch weit davon entfernt, das Bogenschießen gemeistert zu haben. Es ist eine anspruchsvolle Sportart: Ständiges Trainieren, Wiederholen, Reflektieren. Hundert Mal den exakt selben Bewegungsablauf zu vollziehen – selbst bei Anspannung, Regen oder Hitze – ist sehr herausfordernd. Es braucht viel Disziplin und Konzentration. Dazu schaue ich mir Videos von Leistungssportler*innen an, lese Bücher zur Sporttheorie und recherchiere nach dem besten Material.

Am Dienstabend findet das „Schnuppertraining“ statt. Neugierige können kommen, und in einem mehrteiligen Kurs das Bogenschießen ausprobieren. Heute erkläre ich einer Anfängerin, wie sie ihre Haltung verbessern kann. Wir probieren verschiedene Positionen aus. Schultern hängen lassen, Oberkörper gerade ausrichten, Hüfte nach vorn bringen. Immer und immer wieder gehen wir die einzelnen Positionen durch. Ich glaube, wir kommen beide ganz schön ins Schwitzen. Denn: Jede Person schießt anders Bogen, weil jede*r anatomische Besonderheiten hat. Also braucht es jedes Mal ein Herausfinden, wie sich der Bewegungsablauf am Besten umsetzen lässt. Jeder Bogenschütze und jede Bogenschützin ist anders. Doch am Ende soll jeder Mensch mit seinem Bogen eine möglichst harmonische Einheit bilden.

Was ich am meisten am Training schätze, ist gar nicht einmal das Bogenschießen selbst. Natürlich ist es schön, sich über die Jahre zu verbessern und mit viel Training zum Ziel zu kommen. Das Schönste aber ist die Gemeinschaft, die wir haben. Wir verbringen viele Stunden in der Woche miteinander. Wir tragen uns nicht nur in anstrengenden Trainingseinheiten oder Wettkämpfen, sondern auch, wenn es privat gerade schwer ist. Die Gemeinschaft hilft mir, Woche für Woche auf dem Platz zu erscheinen und mein Ziel zu verfolgen. Und das, obwohl wir alle ganz unterschiedlich sind.

Und so freue ich mich jede Woche auf den Dienstagabend – und auf alle anderen Trainingstage. Endlich wieder Bogenschießen!