Squid Game – Kommen wir alle in den Himmel …

„Kommen wir alle in den Himmel, wenn wir nur ein bisschen beten?“

(Squid Game)

Wenn in der Bibel die zukünftige Welt beschrieben wird, dann ist sie ein wirklich friedlicher Ort. Wölfe und Lämmer spielen miteinander. Gott lebt bei den Menschen. Es gibt keine Tränen mehr. Es ist ein guter, ein paradiesischer Ort zum Leben – eine Utopie.

Ganz anders wird die zukünftige Welt in einer Dystopie beschrieben. Oft handelt es sich um ein diktatorisches System. Technologischer Fortschritt führt zur Unterdrückung der Menschen. Alles wird kontrolliert und überwacht. Alles scheint gefährlich.

Ich muss sagen, ich liebe das dystopische Genre. Ganz gleich, ob „Schöne neue Welt“, „1984“, „V wie Vendetta“ oder „Quality Land“: Ich kenne sie (fast) alle. Und vielleicht ist das der Grund, warum ich selbst vor „This War of Mine“ nicht haltmachen konnte – oder eben vor „Squid Game“.

Die südkoreanische Serie konnte sich in diesem Herbst als Netflix-Erfolg durchsetzen. Sie wurde von etlichen Millionen Menschen angesehen und stand in vielen Ländern an erster Stelle in den Netflix-Charts. Trotzdem oder trotz allem kommt Manuel Schmid beim Reflab zum Schluss „Nicht jeder Erfolg ist auch eine Empfehlung“.

Wagt man es dann doch und schaut die Serie bis zum Schluss, dann wird man – wie ich – durchaus positiv überrascht. Schon nach der ersten Folge hatte mich die Serie in ihren Bann gezogen: 456 Menschen treten in sechs Spielen auf Leben und Tod gegeneinander an; am Ende kann nur einer gewinnen und das Preisgeld von 33 Millionen Euro gewinnen. Die Protagonist*innen wie Seong Gi-hun sind mir dabei trotz ihrer charakterlichen Brüchigkeit sehr schnell ans Herz gewachsen.

Was wie „Tribute von Panem“, „Battle Royal“ und „Takeshi’s Castle“ anmutet, ist in Wirklichkeit also eine wohl durchdachte Gesellschaftskritik. Die Serie denkt das soziale Ungleichgewicht des kapitalistischen Systems konsequent zu Ende. Hinzu kommen psychologische und ethische Fragestellungen, welche die Zuschauer*innen zur ständigen Selbstreflexion anregen. Sogar das Christentum spielt eine – leider  ziemlich zynische – Rolle in der TV-Produktion.

Vielleicht ist es gerade die brutale Ausweglosigkeit, welche die Serie so erfolgreich macht. Denn sie bietet damit Projektionsflächen für eigene Krisenerfahrungen, in einer Zeit, in der Menschen aufgrund der Pandemie um ihre eigene Existenz bangen. Umso wichtiger erscheint es mir, dass auch in der dystopischen Welt von „Squid Game“ immer wieder Hoffnungsschimmer aufleuchten. Auch in einer Dystopie ist die Utopie nicht fern.

Klare Empfehlung? Jein. Die Serie geht unter die Haut, sie ist aufgrund ihrer gruppendynamischen Brutalität oft kaum zu ertragen. Wer damit umgehen kann, dem sei die Serie aufgrund der in ihr aufgeworfenen gesellschaftlichen Anfragen ans Herz gelegt.

Joni