Wie lebst du?
„Wie lebst du denn so?“ kann auch als Frage verstanden werden: Bist du hetero und lebst in „ordentlichen christlichen Verhältnissen“. Ich hab da so meine Anfragen…
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„Erzähl mal. Wie lebst du denn so?“ -die Frage nach den persönlichen Lebensverhältnissen.
Auch an mich wurde die Aufforderung so schon gestellt: Stellen Sie sich doch bitte einmal kurz vor. Was sage ich dann, was wird erwartet? Es gibt christliche Kreise, da gehören die persönlichen Lebensumstände ganz selbstverständlich zu einer solchen Vorstellung dazu. „Ich bin verheiratet und lebe mit meinem Mann und unseren drei Kindern in Bochum.“ Oder „Meine Frau und ich sind gerade umgezogen“ ist dann in Vorstellungsrunden zu hören.
So etwas setzt mich unter Druck. Vor allem wenn ich dienstlich unterwegs bin. Und mir geht es in unserer Gesellschaft noch gut. Ich lebe in einer Ehe mit zwei Kindern. Ungeschieden. Also in den Augen so mancher Christen in geordneten Verhältnissen. Doch warum soll ich direkt am Anfang eines Gespräches mitteilen, mit wem ich Sex habe?
Was macht diese Erwartung mit Menschen, die nicht in solchen Verhältnissen leben. Wäre die Antwort: „Ich bin verheiratet und lebe mit meinem Mann und unseren drei Kindern in Bochum.“ akzeptabel, wenn der Sprecher ein vierzigjähriger Mann wäre? Oder wie wäre die Antwort: „Ich habe mich gerade von meiner zweiten Frau getrennt, wir streiten noch um das Sorgerecht unserer Tochter“. Es gibt leider „christliche“ Gruppen, die solche Antworten und die Menschen, die sie geben, nicht tolerieren würden. (#kircheohneangst, #cvjmohneangst)
Ich kann nachvollziehen, dass die Erwartung, die persönlichen Lebensumstände vor einer Gruppe zu offenbaren, für Menschen eine Herausforderung ist. Wie damit umgehen, wenn die Erwartung: cis hetero, verheiratet mit Kindern im Raum steht? Lügen, oder mit einem flotten Spruch darüber hinweggehen? Es gar nicht erwähnen und die Rückfrage befürchten? Oder gar nicht erst in eine solche Gruppe gehen?
Wenn Kirche (Gemeinde, Jugendgruppe, CVJM…) ein Safer Space werden will, dann müssen die Gruppen in der Kirche akzeptieren, dass Menschen ein Recht auf einen privaten Raum haben. Und dann ist es an den Leitenden, diesem privaten Raum Schutz zu gewähren. Wann ein Mensch was und wem aus seinem Leben erzählen will, hängt vor allem von diesem Menschen ab. Und wenn wir es schaffen, dass sich Menschen in Kirche sicher fühlen können, dann werden sie das von sich teilen, was sie teilen wollen.
Ich rege daher an, bei der nächsten Vorstellungsrunde die Frage nach den persönlichen Lebensumständen bewusst auszunehmen und dies auch zu kommunizieren. Wenn wirklich nach etwas aus dem nichtberuflichen Leben gefragt werden soll, wie wäre es mit der Frage nach Hobbies oder Freizeitaktivitäten? Da können Menschen drauf antworten, ohne sofort mitzuteilen, mit wem sie persönlich gerne Sex haben.