Neulich beim LARP: Weitere LARP-Gedanken

Neulich beim LARP: Weitere LARP-Gedanken

Samurkanth

Ich habe mir auch die Gedanken gemacht, die Malte sich macht. Ich bin weiß, cis-männlich und kann mir LARP leisten. Ich kann diesen Text nur aus meiner Perspektive schreiben.

LARP: Mehr als nur ein Spiel

LARP (Live Action Role Playing) ist mehr als nur ein Hobby – es ist eine Möglichkeit, in andere Welten einzutauchen, alternative Realitäten zu erleben und in fremde Rollen zu schlüpfen. Es ermöglicht den Spielern, aus ihrem Alltag auszubrechen und sich in Szenarien zu verlieren, die oft eine Mischung aus Fantasy, Historie und moderner Fiktion sind. Doch LARP bietet auch eine Plattform, um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten erfahrbar zu machen und Bewusstsein für reale Missstände zu schaffen.

Indem wir Geschichten erzählen, die von Konflikten, Machtkämpfen und sozialen Hierarchien geprägt sind, werden auch reale Probleme wie Rassismus, Sexismus und Diskriminierung sichtbar. Doch diese Themen sind nicht nur in der fiktiven Welt präsent; sie spiegeln reale Ungerechtigkeiten wider, die viele von uns in der Gesellschaft erleben oder beobachten. LARP bietet die Chance, diese Themen durch den Perspektivwechsel und das aktive Erleben im Spiel besser zu verstehen. Doch damit das gelingt, müssen wir uns der Privilegien bewusst sein, die es überhaupt erst ermöglichen, dieses Hobby auszuüben.

Privilegien im LARP: Wer kann überhaupt teilnehmen?

Die finanziellen Hürden sind ein offensichtlicher Faktor: Gewandungen, Ausrüstung, Teilnahmegebühren und Reiseaufwand können schnell teuer werden. Auch wenn es Möglichkeiten gibt, kostengünstiger einzusteigen, bleiben viele Menschen von diesem Hobby ausgeschlossen. Einige LARP-Events bieten mittlerweile Soli-Preise oder gestaffelte Teilnahmegebühren an, um eine breitere Teilhabe zu ermöglichen, aber das ist nur ein Anfang. Wir müssen darüber hinaus Wege finden, um Menschen zu unterstützen, die mit weiteren Barrieren konfrontiert sind, wie etwa körperlichen Behinderungen, chronischen Krankheiten oder familiären Verpflichtungen.

Es gibt auch strukturelle Hindernisse, die bestimmte Personen von LARP ausschließen oder sie in bestimmten Rollen festlegen. Zum Beispiel kann es für kleinere, schmechtigere Menschen schwieriger sein, in als große starke Kämpfer*innen akzeptiert zu werden, während sie in Rollen wie Heiler*innen oder Magier*innen leicht akzeptiert werden. Die Regel DKWDK (nur ein D vor dem K / Du kannst was du kannst) oder DKWDDK (zwei D vor dem K / Du kannst was du darstellen kannst) sorgen dafür, dass sich Stereotypen wiederholen. Ich kann nicht alles darstellen, weil ich halt so aussehe, wie ich aussehe.

LARP kann, wie Malte es letzte Woche bereits sage, dazuführen, dass Stereotypen nicht nur wiederholt, sondern auch noch verstärkt werden. Ähnlich verhält es sich mit Menschen, die von Rassismus betroffen sind und im Spiel möglicherweise diskriminierende Kommentare oder Verhaltensweisen erleben, die als „Rollenspiel“ abgetan werden. Als Paladin kann ich mich besser fühlen als andere Krieger und Rassen und das auch im Spiel so zeigen.

Reale Ungerechtigkeiten im Spiel: Eine Gratwanderung

LARP hat aber auch das Potenzial, soziale Probleme sichtbar zu machen und zu reflektieren, indem es die Teilnehmer*innen mit diesen Themen in einem anderen Kontext konfrontiert. Wenn wir im Spiel den lichten Paladin oder den unterdrückten Bauer spielen, kann das eine Gelegenheit bieten, darüber nachzudenken, wie sich diese Ungerechtigkeiten anfühlen und welche Auswirkungen sie auf Betroffene haben. Dabei ist es jedoch wichtig, sensibel vorzugehen, denn solche Themen können für manche Menschen retraumatisierend sein oder unangenehme Erinnerungen an eigene Erlebnisse wecken.

Deshalb ist eine bewusste und respektvolle Gestaltung solcher Szenarien unerlässlich. Die Organisatoren von LARP-Events und die Spielleiter haben die Verantwortung, sicherzustellen, dass diese Themen nicht als bloße Kulisse für Unterhaltung genutzt werden, sondern dass sie mit der nötigen Tiefe und Sensibilität behandelt werden. Die Darstellung von Ungerechtigkeiten sollte niemals zur Verharmlosung oder Romantisierung führen, sondern dazu beitragen, die Spieler für solche Themen zu sensibilisieren und sie zur Reflexion anzuregen.

Verantwortung der Spieler und Organisatoren

Es liegt in der Verantwortung von uns, inklusive und respektvolle Umgebungen zu schaffen, in denen jede*r willkommen ist. Das bedeutet, dass wir uns aktiv mit unseren eigenen Privilegien auseinandersetzen und Barrieren abbauen müssen, die Menschen von diesem Hobby fernhalten könnten. Dazu gehört, sich für ein solidarisches Preissystem einzusetzen, Rollenzwänge zu hinterfragen und dafür zu sorgen, dass diskriminierendes Verhalten im IT vorher OT abgesprochen und gemeinsam akzeptiert ist. Und es im OT deutlich nicht toleriert. Bereits bei der OT-/IT-Ansprache muss klar sein, dass das ein Grund für einen Spielstopp ist. Es ist ebenso wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, Feedback zu geben und Missstände anzusprechen, um kontinuierlich an einer Verbesserung zu arbeiten.

LARP als Werkzeug zur Veränderung

LARP hat das Potenzial, Menschen zu verändern – nicht nur, indem sie neue Fähigkeiten erlernen oder sich in fremde Charaktere einfühlen, sondern auch, indem sie die Welt durch eine andere Perspektive erleben. Wenn wir die in LARP behandelten Themen ernst nehmen und diese Erfahrungen in die reale Welt übertragen, können wir vielleicht dazu beitragen, Ungerechtigkeiten bewusster zu machen und Veränderungen anzustoßen.

Am Ende geht es nicht nur darum, in eine andere Welt einzutauchen, sondern auch darum, die eigene Welt zu hinterfragen und aktiv mitzugestalten. LARP kann ein Raum sein, in dem wir nicht nur Geschichten erzählen, sondern auch aus ihnen lernen – über uns selbst, über andere und über die Gesellschaft, in der wir leben. Indem wir diese Reflexion fördern und unser Hobby inklusiver gestalten, tragen wir dazu bei, dass LARP nicht nur ein Spiel bleibt, sondern auch ein Schritt in Richtung einer gerechteren Welt.

Einige LARP-Events setzen bereits ein wichtiges Zeichen und gehen mit gutem Beispiel voran. Die LARP-Veranstaltungen der Nerdchurch etwa bemühen sich besonders darum, solche Themen zu berücksichtigen und Barrieren abzubauen. Sie versuchen, inklusive Rahmenbedingungen zu schaffen und denken bewusst über die Herausforderungen nach, die es für bestimmte Menschen gibt. Ob durch Soli-Preise, barrierearmere Spielorte oder gezielte Sensibilisierung von Organisatoren und Teilnehmenden – es wird ein Schritt in Richtung einer gerechteren LARP-Community gemacht.

Auch andere LARP-Veranstaltungen setzen sich zunehmend mit diesen Themen auseinander. Es gibt Initiativen, die inklusives Rollenspiel fördern, Workshops zu Diversität und Achtsamkeit anbieten. Diese Bemühungen zeigen, dass LARP als Gemeinschaft nicht stillstehen muss, sondern sich entwickeln und an den Bedürfnissen aller orientieren kann.

Doch es braucht noch mehr davon. Wir als Community sollten weiterhin aktiv daran arbeiten, dass LARP-Veranstaltungen für alle Menschen offen sind, unabhängig von ihrem Hintergrund, ihrer Identität oder ihren Möglichkeiten. Es ist wichtig, diese Ansätze weiter zu unterstützen, zu verbreiten und kontinuierlich zu verbessern, damit LARP nicht nur ein Ort für spannende Geschichten bleibt, sondern auch ein Ort, der für jede*n zugänglich ist und in dem sich alle sicher und respektiert fühlen.

Nur so kann LARP sein volles Potenzial entfalten – nicht nur als Spiel, sondern als ein Raum der Veränderung und des Lernens – auch in der Kirche.

Falls du Dir auch Gedanken zu Rassismus, Sexismus oder -ismus-Themen beim LARP gemacht hast und es gerne hier veröffentlichen möchtest, dann melde dich gerne bei uns.