Tanzen in Zeiten des abnehmenden Lichtes

(Direkt vorab: Nein, ich habe das Buch nicht gelesen. Ich nutze nur das Wortspiel des Titels.)
Unsere Kirche verändert sich. Das hat sie immer schon getan, und doch, wenn man selbst drinsteckt in diesen Veränderungen, dann fällt das nicht leicht. Uns so frage ich mich, was wir aus den Menschen in der Kirche?
Die Kirchenmitgliederzahlen sinken. Was Christen sagen, hat in unserer Gesellschaft zunehmend wenig Bedeutung. Die moralische Instanz Kirche wird hinterfragt. Vieles davon zurecht. Doch für viele Menschen ist Kirche bis heute Heimat. Sie fühlen sich in ihr aufgehoben. Ich zähle mich dazu.
Nun ist dieser Wandel der Kirche nichts neues. Das wandernde Gottesvolk begegnet uns schon in der Bibel. Da werden Städte gebaut und eingerissen, Tempel entstehen und werden zerstört, Menschen werden sesshaft, fliehen von Hunger und werden verschleppt. Und selbst in der Geschichte der Kirche in Deutschland, sind die Umbrüche seit der Reformation nicht unwesentlich. Seit 500 Jahren schlagen wir uns in Europa und den deutschen Ländern die Köpfe ein. Ein Krieg jagt den nächsten. Eine Regierung löst die andere ab, und alle tun ihr nur ihr Bestes.
Und die letzten 80 Jahre, seit Ende des letzten großen Kriegs in Europa, haben zwei deutsche Staaten und Staatsformen gesehen, waren von Aufbruch und Scheitern bestimmt. Die Kirchen in der DDR haben eine Schrumpfung erlebt, die den „Westkirchen“ noch bevorsteht.
Der Theologe Heino Folcke sagte 1972 bei der Synode der evangelischen Kirchen folgende Sätze: „Frei sind wir nur, wenn wir hoffen dürfen, wenn wir eine Verheißung haben, die stärker ist als Pessimismus und Zukunftsangst. Angst und Sicherungsbedürfnis werden erfinderisch in Kriegstechnik, Abschreckungsstrategien und Selbstbehauptung in jeder Form. Gottes Verheißung setzt die Phantasie der Liebe frei, die erfinderisch wird für andere und für neue Wege des Zusammenlebens. In unserer Zeit, die uns vor soviel nie gekannte Probleme stellt, brauchen wir die Tugenden schöpferischen Denkens, mutigen Experimentierens, angstfreier Lernbereitschaft.“ Sein Vortrag „Christus befreit – darum Kirche für andere“ ist seit 50 Jahren aktuell.
Die Phantasie der Liebe. Was ein brutal schönes Bild.
Die Kirche, die sich stets gewandelt hat, wird sich weiter wandeln. Wir werden kleiner. Und damit, wird es für kleine Gruppen einfacher werden, sichtbarer zu sein. Die wunderbare Pluralität unserer Kirche, die eben nicht „die Landeskirche“ oder „die Kirche von Deutschland“ ist, wird sichtbarer werden. Eine Gruppe von 30 aktiven Menschen wird bei 3 Millionen Menschen nicht gesehen, bei 300.000 Menschen nimmt man sie zur Kenntnis. Bei 30.000 Menschen wird sie gehört und relevant. Das gibt uns Spielraum und Zukunftsaussichten.
Unsere Kirche wird bunter werden. Und ich will mich dafür einsetzen, dass sie das nicht nur an den (lauten) Rändern wird. Sondern dass auch die vielen Menschen in der Mitte in ihr einen Ort finden, an dem sie im Licht tanzen können.
Und ich hoffe es gelingt uns: Die Nerds und Geeks in unseren Reihen, werden stärker als in der Vergangenheit Teil der Kirche sein. Die Gruppen, die aktuell an den Rand gedrängt werden, weil sie kein Deutsch sprechen oder der deutschen Liturgie nichts abgewinnen können, werden in die Mitte Rücken. Menschen mit unterschiedlichen familiären Hintergründen werden sich zusammen an den Tisch des Herrn setzen, sonst bleiben einfach zu viele Stühle leer.
Also, liebe Nerds, viva la Nerdchurch!