Nerd und Musik – Teil 1

Ich weiß nicht, liebe Leser*innen, wie es Ihnen geht. Kommt bei einer auf der Orgel gespielten Bachkantate der Heilige Geist über sie? Eröffnet Mendelssohn Bartholdy Ihnen einen Einblick in die Größe Gott*es? Mir nicht. Klassische Musik und insbesondere Orgelmusik empfinde ich (mit Ausnahmen) nicht als meine musikalische oder spirituelle Heimat. Und dem dann häufig vorgebrachten Argument „Du verstehst das einfach nicht“ begegne ich inzwischen mit einem zynischen: „Wenn ich erst etwas lernen muss, um Musik zu verstehen, dann ist sie nicht für mich geschrieben“.

Bin ich deshalb unmusikalisch?

Ich fürchte, dass es in unserer Kirche der Mehrheit der Menschen ähnlich geht. Beim Blick in die Sinus-Milieustudie wird schnell klar, dass klassische Musik und Kirchgänger*innen eher im bürgerlich-konservativen Milieu angesiedelt sind. Außerhalb dieses Milieus und auch im im Jugendalter (das innerhalb der Kirche mitunter mal bis zum 50. Lebensjahr dauert) ist klassische Musik eher weniger verbreitet.

Wie ist also mein Bezug zur Musik?

Den elterlich gern gesehenen Klavierunterricht habe ich ebenso frühzeitig beendet, wie den Schlagzeugunterricht. Als Pädagogikstudierender habe ich auf einer geliehenen Gitarre die Liedbegleitung für’s Lagerfeuer versucht. Wer mich mal gehört hat weiß: mit überschaubarem Erfolg.

Etwas ernster wurde es dann erst, als ich auf einmal im LARP in der Taverne auf Lieder gestoßen bin, die für mich einen Anker in der Fantastischen Spielwelt bargen. Ein Tavernenabend ohne Musik ist eben eher fad und alles Elektrische verbietet sich im mittelalterlichen Ambiente. Also lebt der Barde wieder auf.

Auch habe ich mich als Alleinunterhalter versucht. Der „Rote Mond über’m Silbersee“ und „Bleichendes Schilf“ habe ich das ein oder andere Mal vorgetragen. Viele der Lieder, die im LARP genutzt werden, stammen aus dem bündischen Liedgut, also aus der Pfadfinderbewegung. Und damit gibt es einen Link zurück zur geistlichen Musik – denn in bündischen Liederbüchern finden sich neben den weltlichen Liedern eben auch solche, die unser Leben in Gott*es Hand in eine Sprache kleiden, die eingängig und verständlich ist. Leider sind viele Lieder, die vor allem von jungen Menschen gesungen wurden, aus dem kircheninternen Gebrauch verschwunden. Wenn nicht irgendwelche Nerds sie ausgraben und erschließen.

Und das Nerds zuweilen einen eigenen Blick auf Musik haben, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Hier drei Liedstrophen, die ich persönlich sehr nerdig finde:

Trotz dem alten Drachen, Trotz dem Todesrachen, Trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.

Wir stolze Menschenkinder sind eitel arme Sünder und wissen gar nicht viel; wir spinnen Luftgespinste und suchen viele Künste und kommen weiter von dem Ziel.

Sterne steh‘n hell am Firmament, solche Nachtfindet nie ein End! Dieses Land, wild und schön und wir dürfen seine Herrlichkeit sehn.“

Die erste Strophe singt kein Barde am Schlachtfeldrand, sondern entstammt dem Evangelischen Gesangsbuch (EG 396, 1653). Die zweite Strophe singen wohl viele Eltern am Bett ihrer Kinder und ist aus dem bekannten Abendlied von Matthias Claudius (Der Mond ist aufgegangen, 1779) und zuletzt eine Strophe aus dem Pfadfinderlied „Roter Mond“, das auf vielen LARPs vorkommt. (Pfadfinderlied, 1980)

Musik soll mich abholen. Sie soll mir gefallen und im besten Fall Gefühle anregen. Und das ist bei vielen Menschen unterschiedlich. Ich freue mich, wenn alle Menschen in ihrem Leben die Musik finden, die sie anregt und auch näher zu Gott führt, wenn sie es denn wollen.

Der zweiten Teil von Jonah Klee erscheint in 2 Wochen.