Am Rande einer unbedeutenden Galaxie

Relativ lange war der Menschheit klar, dass sich alles um die Erde dreht. Ich sehe schließlich jeden Tag, wie die Sonne im Osten aufgeht und im Westen untergeht – wohingegen ich selbst still stehe. Klare Kiste. Es kann ja auch gar nicht anders sein, schließlich ist der Mensch etwas ganz Besonderes.

Es dauerte, bis sich eine andre Erkenntnis durchsetzte. Die Erde dreht sich um die Sonne. Weiterhin hielt sich dafür recht lange ein anderer Irrglaube. Die Sonne, um die wir uns drehen, wäre die Mitte der Milchstraße. Bei geschätzten ein- bis zweihundert Milliarden Sternen in unserer Galaxie wäre das schon ein ziemlicher Zufall. Aber natürlich besonders schmeichelhaft, weil wir Menschen doch irgendwie etwas Besonderes wären.

Heute vor 50 Jahren starb Harlow Sharpley, ein amerikanischer Astronom, der nachweisen könnte, dass die Sonne in einem entlegenen Arm unserer Galaxie liegt. Sie ist nicht der größte Stern, nicht der älteste, sondern einfach einer von unzähligen. Was für eine Kränkung!

Harlow Sharpley war ein ausgezeichneter Wissenschaftler, er vertraute seinen Zahlen. Dem Wunsch, etwas Besonderes zu sein und irgendwie doch im Mittelpunkt zu stehen, konnte aber auch er sich nicht entziehen. In der „Großen Debatte“ der 20er Jahre vertrat er die Meinung, es gäbe nur eine „Welteninsel“, nämlich unsere Galaxie. Heute weiß man, auch davon gibt es Milliarden.

Nüchtern betrachtet ist der Mensch also eine einzelne Art – von knapp zwei Millionen auf der Erde. Er lebt auf einem von acht Planeten, die um einen höchst mittel­mäßigen Stern kreisen, einer von Milliarden in der Milchstraße, die selbst wiederum nur eine von vielen Milliarden Galaxien ist. Kurz: Wir sind ziemlich unbedeutend.

Wirklich? Kommt es denn darauf an, ob wir in der Mitte sind? Ob wir größer, besser sind? Die Bibel hat einen anderen Blick. „Gott hat euch nicht angenommen und erwählt, weil ihr größer wärt als andere Völker …, sondern weil er euch geliebt hat.“ (5. Mose 7,7), weiß Israel. Das ist doch ein ganz schönes Wissen, dass es nicht darauf ankommt, ob ich groß oder stark bin. Eigentlich ist es ja auch viel schöner, geliebt zu werden.

Benjamin von Legat ist Pfarrer in der Ev. Kirchengemeinde Heepen-Oldentrup.

Benjamin.vonLegat (at) kirche-bielefeld.de