Day of the Nerd

„Da wachte Jakob auf und sagte: »An diesem Ort ist der Herr, und ich habe es nicht gewusst.« 17 Und er hatte Angst und sagte: »Was für ein Ehrfurcht gebietender Ort! Hier ist das Haus Gottes – das Tor zum Himmel!« 18 Am nächsten Morgen stand er in aller Frühe auf. Er nahm den Stein, den er als Kissen benutzt hatte, und stellte ihn als Gedenkstein auf.“
1. Mose 28, 16-18

„Meine“ Kirche wurde direkt nach dem 1. Weltkrieg gebaut. Sie ist eine sogenannte Notzeitkirche, entwickelt vom Architekten Otto Bartning. Bartning war selber Christ, hatte schon viele Kirchen erbaut und sich intensive Gedanken darüber gemacht, wie ein Gotteshaus gestaltet sein sollte, um der Gemeinde ein optimales Zuhause zu bieten.
Direkt nach dem Krieg gab es für die Gemeinde nur ein großes Wohnzimmer, in dem man sich treffen konnte, da war diese Notzeitkirche, durch Spenden aus dem Ausland und serielle Bauweise günstig zu  erwerben, ein Geschenk des Himmels. Endlich konnten sich bis zu 400 Leute an einem Ort versammeln, um Gottesdienst zu feiern.
Mit den Konfis habe ich überlegt warum Leute in einer Zeit, in der es viel zu wenig Wohnraum gab und das Essen kaum ausreichte um alle satt zu kriegen, sich daran machen eine Kirche zu erbauen.
Ihre Antworten: Um einen Ort des Trosts zu haben, einen Ort, an dem man sich geborgen fühlt, einen Ort, um seine Sorgen vor Gott zu tragen, einen Ort und um Gemeinschaft zu erleben.

Nun leben auch wir gerade in seltsamen Zeiten. Eine „Notzeit“ mag ich es hier in Deutschland nicht nennen, schließlich haben wir die Pandemie bisher vergleichsweise sehr glimpflich überstanden.
Doch mit 400 Leuten in unserer kleinen Kirche Gottesdienst feiern? Das geht leider gar nicht.
Während des „Lockdowns“ haben viele Leute Gottesdienst zu Hause gefeiert über den Fernseher, per Videokonferenz oder Youtube. Wer sich schon länger mit dem Thema digitale Kirche befasst, hat einen ungeahnten Aufwind verspürt. Plötzlich waren Fähigkeiten gefragt, die vorher milde belächelt wurden.

Es war die Stunde des Nerds.
(für den mir noch immer die passende weibliche Form fehlt)

Die Frage ob so ein Haus Gottes, oder ein Gotteshaus nicht vielleicht auch im Internet sein kann, wurde plötzlich nicht mehr nur in einer kleinen Community sondern recht großflächig diskutiert.
Auch wenn jetzt im Sommer das Leben draußen stattfindet, einen Corona-Winter wird es wohl noch geben, mit digitaler Kirche und online Begegnung.

Aber wie geht es dann weiter? Hat der Nerd dann seine/ihre Schuldigkeit getan und kann gehen? Ein bisschen macht sich dieses Gefühl ja jetzt schon breit: „Echte“ Treffen sind immer besser meinen manche Leute.
Aber Ich bin nicht bereit die digitale Begegnung als „second best“ abzutun. Unsere kleine Zoom Gemeinschaft, die sich im Frühjahr viele Wochen lang regelmäßig getroffen hat, ist ohne Zweifel eine christliche Gemeinschaft gewesen. Nicht mehr aber auch nicht weniger andächtig und innig, als es eine analoge Andacht sein kann. Es war ein digitaler Ort des Trostes wo wir unsere Sorgen und Freuden miteinander vor Gott tragen konnten.
Der Bonus war, dass Leute teilnehmen konnten die weit verstreut leben und sich sonst nur selten zur gemeinsamen Andacht treffen würden.

Werden wir es hinkriegen „nach Corona“ die positiven Erfahrungen mit zu nehmen und auch die „Muggels“ immer mal im digitalen Gotteshaus begrüßen dürfen?  Oder werden die Nerds wieder in ihren Löchern und Blasen verschwinden und alle anderen froh sein, dass dieser „Unsinn“ endlich vorbei ist? Die einfache Notzeitkirche aus der Zeit direkt nach dem 2. Weltkrieg hat sich bewährt. Seit vielen Jahrzehnten dient sie uns als Gotteshaus. Zwischendurch hat sie ein paar Upgrades gebraucht und nun, in Zeiten des Klimawandels, steht die Frage im Raum, ob sie wegen ihrer schlechten Heizbarkeit nicht mal ein paar grundsätzliche Veränderungen braucht. Aber abreißen und was schickes neues bauen, das käme niemandem in den Sinn. Obwohl sie aus schlechten Zeiten stammt, ist sie gut und richtig.

Diese Erkenntnis ist aus meiner Sicht auf die digitale Kirche zu übertragen. Sie hat sich in schlechten Zeiten bewährt. Lasst sie uns upgraden, erweitern und umbauen damit sie noch besser wird, aber auf keinen Fall abreißen!

Bauzeichnung, Ev. Paul-Gerhardt-Kirche, Dortmund

Paul-Gerhardt-Kirche, Dortmund

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